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Indigourlaub • 05.11.2017

Heilsames Schweigen...Sonja Miko über das Schweigeretreat mit Ursula Lyon



Ich erinnere mich noch an das Gefühl, als ich loszog, um meine erste Erfahrung bei einem Schweigeretreat zu machen. Eine gewisse Aufregung und Anspannung war zu spüren, wusste ich in Wahrheit auch nicht, was auf mich zukommen würde.



Schweigeretreat mit Ursula Lyon

Die vielen fragenden Reaktionen aus meinem Umfeld („Ihr sprecht wirklich die ganze Woche nichts?“, „Was macht ihr die ganze Zeit?“, „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das durchhalten würde.“) im Ohr, das Meditationskissen im Koffer und die mulmige Vorfreude im Herzen zog ich also los…


Das gesamte mulmige Gefühl scheint wie in Luft aufgelöst, als sie den Meditationsraum betritt. Sie, das ist Ursula Lyon, 85 Jahre jung, ein Lächeln im Gesicht, eine Ausstrahlung, die ihresgleichen sucht. Viele Jahre lang war sie mir Begleiterin in Büchern, Videos, Artikeln, manches mal hatten wir uns per Mail ausgetauscht. Nun endlich geht mein persönlicher Traum in Erfüllung und ich schenke mir selber eine Woche Schweigeretreat mit Ursula. Das Schweigen an sich ist aber nicht wirklich das, wovor ich einen gewissen Respekt habe, vielmehr ist es der Verzicht auf Handy und Computer, den ich mir selber auferlegt habe und diese Abstinenz versetzt mich zugegebener weise in eine etwas kribbelige Unruhe.

Beim ersten Abendessen darf noch gesprochen werden, Ursula erklärt und das Wesen von Karma Yoga und die Spielregeln für die Woche. Karma Yoga ist Dienst an der Gemeinschaft, ist Mithelfen im Haus – sei es in der Küche, beim Saubermachen, im Garten… schweigend, versteht sich. Eine Stunde am Tag achtsames Arbeiten üben, nicht wertend, sich den Dingen wirklich widmen. Wie heilsam Arbeit sein kann.

Bei der Abendmeditation beginnt nun offiziell die Schweigezeit. Jeder sucht sich seinen Platz im Meditationsraum und ich tauche ein in die Stille. Zunächst einmal in die äußerliche Stimme, aber immerhin.

Im Inneren hingegen beginnen die Gedanken ein Eigenleben zu führen. Ich scheine nicht die einzige zu sein mit dieser Herausforderung, denn schon kommt die überaus hilfreiche Ansage von Ursula: „und wenn die Gedanken losziehen mit dir, kehre zum Atem zurück. Einatmen. Ausatmen. Einatmen….“ Wir schweigen. Und atmen. Das reicht, um im Moment zu sein. Wir müssen nichts beweisen, nichts erreichen. Nur einatmen, ausatmen.

Die erste Nacht in meinem kleinen Zimmerchen wird mit einem lautstarken „Gong“ beendet, um 05.30 h ist Tagwache. Kurze Zeit später treffen wir wieder ein für die gemeinsame Yogastunde. Welch ein Geschenk, mit sanften Übungen in den Tag zu starten um anschließend bei der Morgenmeditation wieder einzutauchen in die Stille. Die Gedanken melden sich wieder lautstark zurück…von wegen innere Ruhe….

Wir verbringen den Tag mit einer festen Tagesstruktur. Das hilft, gerade uns Schweige-Anfängern, enorm bei dieser neuen Erfahrung. Sitzende Schweigeperioden wechseln sich ab mit Gehmeditationen, vorzugsweise im Freien. Gerade die Natur wird mir in dieser Woche ein besonderer Begleiter. Tag für Tag, so scheint mir, werden die Sinne etwas sensibler, Tag für Tag nehme ich die wunderschöne Landschaft anders war, die ersten Schneerosen, die ihre Blüten zeigen. Die Eichhörnchen, die von Baum zu Baum tanzen, die Sonnenstrahlen, die Schneeflocken. Ich genieße die Facetten der Natur, die kühle Luft, die langsamen Schritte. Ich genieße das Schweigen.

Am zweiten Tag merke ich, dass sich mein Verlangen nach Handy und Notebook absolut in Grenzen hält, vielmehr noch ist es so gut wie gar nicht da. Diese doch relativ große Angst, auf die Verbindung zu Familie, Freunden, Firma zu verzichten, war…genaugenommen komplett unbegründet. Viel mehr noch erfüllt es mich mit einem sehr beruhigenden Gefühl, nicht von Smartphone & co abhängig zu sein. Fühlt sich so nun echte Freiheit an? Wenn ja, so liebe ich dieses Gefühl voll und ganz! Mein persönliches Highlight dieser Woche sind die Stunden, in denen Ursula über die buddhistische Lehre spricht. Ihr Sprechen ist weich, voller Herzensgüte, voller Erfahrung. Es ist kein BE-lehren, kein Mahnen, keine Theoriefloskeln. Es ist lebensnah, es ist humorvoll.


Welch Geschenk, den Worten lauschen zu dürfen. Ich wünsche mir manchmal, die Zeit würde stehenbleiben um immer und immer lauschen zu können. Aber da kommt einer der wichtigsten Leitsätze von Ursula, sie nennt ihn das Naturgesetz. Das Leben verändert sich in jedem Augenblick, das Leben ist vergänglich – ob wir es wollen oder nicht. Wie wir dieser Veränderung, dieser Vergänglichkeit gegenüberstehen, können nur wir bestimmen und genau diese, unsere Entscheidung, macht es aus, ob wir ein glückliches Leben führen oder nicht. Viele Worte bewegen mich tief, stellen vieles, worüber ich mich täglich sorge, worüber ich mir täglich Gedanken mache, in ein anderes Licht.

„Ohne Meditation hast du keine Chance“ – davon ist Ursula überzeugt. Den Geist täglich zur Ruhe bringen, und sei es nur für ein paar Minuten (wofür wir Tag für Tag die 3-Minuten-Meditation lernen), ist der Schlüssel für ein glückliches Leben.

Die Woche vergeht, das Gedankenkarussell im Kopf wird von Meditation zu Meditation weniger (natürlich inklusive einiger „Rückschläge“), das Meditationsbuch füllt sich…schön langsam heißt es wieder packen. Zurück in den Alltag. Ein mulmiges Gefühl stellt sich ein – wird der Lärm des Alltags zu laut sein nach dieser Woche heilsamer Stille? „Alles Leben ist Veränderung“ fällt mir da wieder ein, und ausgerüstet mit jeder Menge Handwerkszeug aus Ursulas Erfahrungsschatz wird auch diese Veränderung gelingen. Genährt, tiefenentspannt und freudvoll erfüllt trete ich den Heimweg an.

Eine Woche nur für mich selbst, welche Bereicherung, welche Inspiration. So fühlt sich Glückseligkeit also an.

Es gilt gleich viel, stirb oder singe.
Lass den Tag nicht verstreichen, ohne
ihm ein großes oder ein kleines Geheimnis
Abzuringen.
Dein Leben sei achtsam.
Jeder Tag eine Entdeckung.
Für jedes Stückchen trockenes Brot,
das Gott dir gibt – gib ihm den reinsten
Edelstein deiner Seele.

J. R. Jimenez
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