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Dani Hornsteiner • 15.12.2023

Selbstfürsorge und abgeschlossene Handlungen



Wie komme ich zu mehr Frieden im Alltag?

Selbstfürsorge hat ein Kaleidoskop von Ausprägungen. Es gibt so viele Möglichkeiten, dich gut um dich selbst zu kümmern.
Und doch, wie oft nehmen wir uns die Zeit für uns? Für uns selbst? Also, wirklich Zeit? Zeit, in der wir nichts anderes tun, als diese eine Sache, die uns jetzt, in diesem Moment gut tut und unserer Seele erlaubt, aufzuatmen? 



Wenn wir ehrlich sind, werden die meisten von uns das so gut wie nie oder nur sehr selten machen.
Woran liegt das? 

Das hat sicherlich viele Gründe, einer von ihnen ist, dass wir von klein auf gelernt haben, effizient zu sein, schnell und zielstrebig unsere Aufgaben anzugehen und zu erledigen. Wir haben gelernt, gut zu funktionieren. Bei diesem Lernprozess ging es nicht darum, wie es uns dabei geht, ob das was wir tun, mit dem was wir fühlen, in Harmonie ist. Es ging vor allem darum, in kurzer Zeit viel zu schaffen, um an einem Ziel anzukommen, eine Aufgabe zu erledigen, um schnell fertig zu sein. 

Wissenschaftliche Studien belegen, dass wir Menschen etwas dann besonders gut machen, wenn wir uns auf genau eine Sache konzentrieren, wenn wir also die Gelegenheit bekommen, uns genau um ein Thema zu einem Zeitpunkt kümmern. Sobald wir beginnen, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, werden wir diese weder so gut durchführen, noch so schnell zu Ende bringen, als wenn wir diese hintereinander erledigt hätten. 

Ganz im Gegenteil sogar, wir verlieren wertvolle Energie und Aufmerksamkeit durch das ständige Switchen in unserem Gehirn zwischen den Themen. Das kostet unseren denkenden Geist enorm viel Kraft. Wir sind keine multitasking-fähige Wesen. Wir mögen zu einem gewissen Grad multitasken können, wenn wir müssen, oder meinen zu müssen, der Preis, den unser Körper, unser Kopf und unsere Energie bezahlen ist jedoch sehr hoch.

So ist es kein Wunder, dass viele von uns das Gefühl haben, das alles zu viel ist, dass sie nicht fertig werden mit ihren To Do Listen oder sich erschöpft, müde und erledigt fühlen. 
Genau das ist unser denkender Geist. Er ist müde. Denn er wird von uns gezwungen, in einer Art und Weise zu arbeiten, die nicht seiner Natur entspricht. 

Das Yoga Sutra gibt uns hier Unterstützung. Es beschreibt in vielfältiger Weise, wie wir zu einer hohen Konzentration auf einen Gegenstand kommen. Und es beschreibt, dass es für diese Ausrichtung auf einen einzigen Gegenstand bis hin zur Verschmelzung mit diesem Gegenstand Übung braucht, ein stetiges Sich-darum-Bemühen in einer regelmäßigen Praxis: Yoga Sūtra 3.10:


Tasya praśāntavāhita saṃskārāt 
Die Fähigkeit, über einen langen Zeitraum in einem Zustand der Ausrichtung zu verweilen, entwickelt sich durch regelmäßiges und ununterbrochenes Üben.


Und du kennst das bestimmt, wenn du an einer Aufgabe sitzt und voll konzentriert bist, dann gibt es da nichts mehr als diese eine Aufgabe. Du hörst die Geräusche, die Musik, die Gespräche um dich herum nicht mehr, Zeit spielt keine Rolle mehr und vergeht wie im Flug. Du bist so auf die Aufgabe konzentriert, dass du auch dich selbst nicht mehr wahrnimmst, sondern mit der Aufgabe verschmilzt.

Das ist fast tranceähnlich, nur, dass du etwas tust, anstatt wie klassisch beschrieben in Stille sitzt und dich auf das Kerzenlicht oder einen Punkt zwischen deinen Augenbrauen oder auf das Ein- und Ausströmen des Atems konzentrierst. 

Hier bist du in diesem Zustand von ekagrata – der einspitzigen Ausrichtung, von der das Yoga Sūtra spricht. Dein Geist ist fokussiert und klar, und die Aufgabe löst du gekonnt und mit Leichtigkeit. Wir sind anschließend belebt, fühlen uns lebendig und kraftvoll. Genau das Gegenteil von müde und erschöpft.


Das Yoga Sūtra beschreibt diese Einspitzigkeit für die Meditation und versteht sich als Vorbereitung auf das Leben. Alles, was wir auf der Yogamatte üben, möchte dem Leben in deinem Alltag dienen. So beginnen wir mit der Yogamatte als unsere Welt des Übens, bis die ganze Welt unsere Yogamatte wird.

In den Alltag übertragen bedeuten die Ergebnisse der modernen Wissenschaft und die Ausführungen des Yoga Sūtra, dass wir uns besinnen dürfen, wieder eine Sache nach der anderen zu machen. 
Wir werden eingeladen, abgeschlossene Handlungen durchzuführen. Wir werden eingeladen, wenn wir eine Handlung beginnen, uns dieser ganz zu widmen, in ihr ganz aufzugehen, ihr unsere gesamte Aufmerksamkeit zu schenken, und sie so lange durchzuführen, bis sie abgeschlossen ist. 

Möglicherweise wirst du nun sagen: „Ehrlich Dani, wie soll das gehen? Das ist unmöglich im Alltag umzusetzen, es gibt einfach zu viel zu tun, die Zeit habe ich gar nicht. Ich habe einen Job, 2 Kinder, einen Haushalt, muss einkaufen gehen und putzen, mit dem Hund Gassi gehen, mich um meine Eltern kümmern, ….“ 

Ja, du hast Recht, es gibt unglaublich viel zu tun. 

Weißt du, wie viel Kraft und Anstrengung es deinen Geist kostet, an all die offenen Handlungen zu denken, sich die ganzen offenen Handlungsstränge zu merken, nichts zu vergessen? Das kostet richtig viel Kraft, und dann ertappst du dich dabei, dass du dieses vergessen hast fertig zu machen, jenes nicht zu Ende gebracht hast, weil es dir aus dem Sinn gerutscht ist, du findest deine Schlüssel nicht mehr oder hast dein Geldbeutel verlegt, eine Verabredung vergessen. 

Beginnen wir damit, eine Handlung anzufangen und dabei zu bleiben, bis sie abgeschlossen ist, wird unser Leben übersichtlicher, und wir haben die innere Gewissheit, dass die Dinge wirklich erledigt sind. Wir müssen nicht mehr darüber nachdenken, gab es da noch was zu tun, habe ich etwas vergessen? Nein, der Kopf wird frei, denn ich weiß, es ist alles erledigt, weil ich Handlungen abschließe. 

Was heißt es, eine Handlung abzuschließen, sich ausschließlich auf eine Handlung auszurichten? 

Nehmen wir ein Beispiel: du musst Wäsche waschen. Die einspitzige Handlung wäre also, du sammelst die Wäsche zusammen, die du waschen möchtest – vielleicht musst du dafür in verschiedene Zimmer gehen – vielleicht bist du dann im Schlafzimmer verleitet, gleich noch den einen Haufen neue Wäsche aufzuräumen, oder die Betten zu machen – das machst du jetzt nicht, denn nun würdest du einen neuen Handlungsstrang öffnen, ohne den anderen abgeschlossen zu haben – du suchst die Wäsche zusammen, das ist jetzt die Aufgabe, dann gehst du zur Waschmaschine, gibst die Wäsche hinein, das Waschpulver dazu und schaltest die Maschine an. 

Jetzt kannst du für diesen Moment nichts mehr für die Wäsche tun. Dieser Handlungsstrang ist abgeschlossen. UND jetzt nimmst du dir die nächste Aufgabe vor. Vielleicht ist es, die Betten zu machen oder Einkaufen zu gehen oder einen Kaffee zu trinken. Denn du wirst merken, auf einmal ist da mehr Zeit. Und diese kannst du in deine Selbstfürsorge investieren, etwas Schönes für dich tun, mitten in deinem Alltag! Kleine Inseln der Erholung in deinen Alltag zaubern, ist das nicht wunderbar?
Wie du siehst, ist mit geschlossenen Handlungen nicht gemeint, dass du dich jetzt vor die Waschmaschine setzt und wartest bis sie fertig ist, damit du sie aufhängen kannst. Das kannst du natürlich auch gerne machen – eine tolle Gelegenheit zu meditieren 🙃 – aber nein ernsthaft, es bedeutet eine Handlung zu starten, und sie so weit zu Ende bringen, wie es für dich jetzt möglich ist, bevor du eine andere Aufgabe angehst.

Ich lade dich ein, neugierig zu sein und es einfach auszuprobieren. Das ist der einzige Weg, um zu erfahren, ob du dann wirklich ausgeruhter bist, dich erfrischter fühlst als bisher, dabei mehr schaffst zu erledigen und sich in dir sogar eine angenehme Ruhe ausdehnt und Inseln der Zeit entstehen.

Yoga ist keine moderne Wissenschaft, sondern eine Jahrtausende alte Erfahrungswissenschaft. Wir sind immer wieder eingeladen, Neues auszuprobieren, es eine Weile zu üben – regelmäßig und im passenden Maß ohne Ablenkung (abhyāsa und vairāgya) und uns dann in Ruhe zu entscheiden, wie hat es sich angefühlt? Was hat es mit uns gemacht? Wie geht es uns jetzt? Und ist das etwas, was ich weiter machen möchte?

Das ist auch Selbstfürsorge, immer wieder schauen, was brauche ich, gibt es andere neue Wege, die mir gut tun, besser tun?, Dinge ausprobieren.

Und dann nach ehrlicher aufmerksamer Reflektion in ekagrata entscheiden, wo ist mein Weg. In diesem Fall abgeschlossene Handlungen in mein Leben zu integrieren, oder bei den offenen Handlungen zu bleiben.

Also, begib dich auf die Reise in ekagrata durch deinen Alltag zu gehen – wie alles wird es dich am Anfang Überwindung kosten, du wirst dich immer wieder erinnern müssen, vielleicht klebst du dir Post-It Sticker in die Wohnung mit dem Wort „ekagrata“ drauf oder „abgeschlossene Handlung“, mach das 3 Wochen lang und dann nimm dir Zeit zu reflektieren, wie es dir gegangen ist. Was ist dein Fazit. 

Und dann setze um, was dir dient und was dich nährt. Und alles andere darf in den Mülleimer. 

Ich wünsche dir viel Freude beim Ausprobieren!

Und schreib mir, wenn du Fragen hast und auch gerne, was deine Erfahrungen mit den abgeschlossenen Handlungen sind: mail@sonneundmond.info 

Ich freue mich sehr, von dir zu lesen! 

In Liebe Dani ❤️

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